die sonntagsmaschine...

die sonntagsmaschine...
Seit einiger Zeit ist es nun auch in unserem Dorf mit der Ruhe vorbei. An jedem Sonntag, den Gott werden läßt, erscheinen Tausende von Autos, um hinaufzufahren in den Drachenwald, wo unsere Sonntagsmaschine steht. Bunt und prächtig windet sich den ganzen Tag ein unaufhörlicher Autostrom durch das enge Dorf. Die Sonne scheint, die Ausflügler sind guter Laune und winken uns oft einen frohen Gruß zu. Im Walde steht die große Sonntagsmaschine. Sie ist von Jahr zu Jahr beliebter geworden und bringt unserer Gemeinde einen schönen touristischen Mehrumsatz ein. Wir Dörfler wundern uns nur immer wieder, woher so viele Autos kommen. Es ist von uns aus nicht sehr weit, nur ein knappes Halbstündchen durch die “Feuchte Schlucht” hinauf, die früher niemand alleine zu betreten wagte, weil sie düster und nicht geheuer war. Der Fremdenverkehr aber hat es ermöglicht, eine moderne Straße hinaufzubauen, die in einem großzügigem Parkplatz an der Einfahrt endet. Hier ist die letzte Wendemöglichkeit. Aber nur wenige können widerstehen, durch das geheimnisvolle Tor zu fahren. Es hat ja auch was Märchenhaftes, dort oben in der reinen Waldluft diese Überraschung vorzufinden. Und schön ist es dort! Vom Gipfel grüßt die Burgruine ins Land, im Tal rauscht der Wildbach. An den Einfahrten stehen freundliche Stewardessen und verteilen Frischhaltepackungen mit Käsesandwiches, Eis-Waffeln und Bonbons: der letzte Rastplatz. Viele steigen noch einmal aus und vertreten sich die Beine oder genießen den Fernblick. Dort ist für das leibliche Wohl gesorgt. Die größte Attraktion aber befindet sich am Eingang. Dort steht die Kasse. Eine richtige alte Hexe verkauft den Leuten die Einlaßbillets. Natürlich ist es nur eine Frau aus unserem Dorf, aber sie ist sehr gut verkleidet, und die Kinder jubeln schon immer von weitem, wenn sie mit ihrem rotem Schultertuch herangehumpelt kommt um den Eintritt zu kassieren, der nicht gerade billig ist. Endlich ist es aber soweit. Das Tor ist frei, es heißt “Bitte anfahren” und heiter, den Arm aus dem Fenster gelehnt, rollt man hinein, voller Neugier, was man nun zu sehen bekommt. Die Reklameschilder an der Stasse künden nur von einer “Wirklichen Überraschung”. Wie spannend! Wie es dann weitergeht, sollte eigentlich nicht verraten werden. Tief im Wald befindet sich die Anlage. Die Autos fahren in langer Reihe auf eine buntgeschmückte Rampe und kippen von da in den Bauch der Maschine. Man hört ein Brausen und Mahlen aus der Tiefe. Dazwischen einzelne Schreie und Gehupe. Die Maschine ist im Grunde nichts anderes als eine große Mühle. Sie mahlt Autos. Am Ausgang stehen einige Gemeinderentner aus dem Dorf und schütten das Automehl in den Fluß. Das ist alles. Es sollte nach Möglichkeit niemand wissen, da es mit der Hexe und der Reklame an der Straße so schön spannend gemacht ist, daß die Autos nur so hingezogen werden. An schönen Tagen kann die Maschine über Tausend Fahrzeuge verarbeiten. Die Sache wird auch nie ganz herauskommen, denn wer merkt schon, daß die Autos nicht wiederkehren. Es gibt ihrer so unglaublich viele, daß wir Dörfler uns oft nur darüber wundern.

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